Rüsselsheim ist strukturell eine Stadt der Nachkriegszeit, die stetig nach den Bedürfnissen des Opel-Werks ausgebaut wurde: Mehrspurige Einfallstraßen und Wohngebiete, welche vollkommen auf die Taktung des Schichtdiensts ausgelegt wurden. Jeder Stadtbezirk bildet in sich einen kleinen Mikrokosmos, wodurch das Verlassen der eigenen Nachbarschaft nicht notwendig wurde. Zum Teil entstanden ganze Stadtteile am Zeichenbrett. Diese Strukturen sind nicht mehr zeitgemäß und in Teilen nicht mehr nötig. Es wird eine der großen Aufgaben der gesamten Stadtgesellschaft sein, Rüsselsheim neben seiner Neuausrichtung auch infrastrukturell neuzugestalten.
Wohnen, Bauen, Klima
2019 stimmte die Stadtverordnetenversammlung für die Ausrufung des Klimanotstands. Zukünftig soll bei Entscheidungen verstärkt auf die klimatischen Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten geachtet werden. Bereits ein Jahr später fällt in der Zeitung ein krachendes Urteil: Der ausgerufene Klimanotstand wirkt sich kaum aus. Ein Armutszeugnis, wenn man den dringenden Handlungsbedarf bei der Abwehr des bereits vor Jahrzehnten begonnen Klimawandels betrachtet. Veranstaltungsgenehmigungen trotz begründeter Bedenken und Warnungen des Umwelt- und Naturschutzes oder das Festhalten an Bauvorhaben wie dem Projekt „Eselswiese“, negieren die Bedeutung und Dringlichkeit, die mit der Ausrufung des Klimanotstandes verdeutlicht wurden.
Auch Rüsselsheim muss seinen Beitrag zum Klimaschutz beitragen. Das Projekt „Eselswiese“ muss eingestellt und neu betrachtet werden. Großflächige Versiegelungen von Flächen sind mit einem Klimanotstand in keiner Weise in Einklang zu bringen. Vor allem jetzt, wo sich die Bedingungen mit dem Teilverkauf der Opel-Werksflächen völlig geändert haben. Bevor neue Flächen versiegelt werden, müssen bereits versiegelte Flächen entwickelt werden! Diesen Handlungsspielraum besitzt die Stadt, auch wenn sie nicht Eigentümerin der Flächen ist.
Auch bei bestehenden Bauten, Wohn- und Gewerbegebieten muss zukünftig der Klimaschutz eine gewichtigere Rolle spielen. Um gerade im Hochsommer Hitzeinseln entgegenzuwirken, soll verstärkt auf Straßen- und Fassadenbegrünung gesetzt werden. Besonders im Innenstadtbereich können Grüninseln auch zur Attraktivität und Aufenthaltsqualität beitragen. Ein Verbot von Schottergärten unterstützt hingegen den Erhalt der Biodiversität. Hauseigentümer*innen sollen dabei jedoch nicht alleingelassen werden. Mit einem „Förderlotsen Klima“ soll eine zentrale Anlaufstelle für die Suche nach Fördertöpfen und -beratungen angeboten werden, um z.B. bei der Finanzierung von Fassadenisolierung, dem Bau einer Photovoltaikanlage oder der Heizungsumrüstung auf klimafreundlichere Anlagen zu unterstützen. Dabei soll die Stadt aber auch als gutes Vorbild vorausgehen, indem die städtischen Liegenschaften möglichst zeitnah klimafreundlich saniert und dadurch auf lange Sicht Energieausgaben eingespart werden.
Klimafreundliche Maßnahmen sind vor allem bei der Beseitigung des angesammelten Sanierungsstau durchzuführen. Es sollte im Interesse der gesamten Stadtgesellschaft liegen öffentliche Gebäude wie das Stadttheater (hier Hinterbühne) oder die Großsporthalle (hier Brandschutzsanierung) wieder vollumfänglich nutzbar zu machen. Dass es die Rüsselsheimer*innen immer noch schaffen, diese Gebäude zu füllen, zeigen Großveranstaltungen der jüngeren Vergangenheit.
Zusammengefasst:
- Einstellen des Bauprojekts „Eselswiese“ angesichts der freiwerdenden Opel-Werksflächen
- Verbot von Schottergärten und Fokus auf Baubegrünung (z.B. Grünfassaden, Straßenbegleitgrün)
- Deutlicheres Hervorheben des ausgerufenen Klimanotstands
- „Förderlotse Klima“ für Hauseigentümer*innen
- Stadtverwaltung mit Vorbildfunktion (z.B. Photovoltaik, klimafreundliche Sanierungen)
Sicherheit, Ordnung, Mobilität
Sicherheitsempfinden ist eine tief subjektive Wahrnehmung, welche gerne mal negativer gezeichnet wird, als sie faktisch ist. Dennoch sind Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. In der Vergangenheit wurde dies durch die verstärkte Präsenz von Polizeistreifen und Kontrollen der Stadtpolizei bewirkt. Mit der Innenstadtwache in der Marktstraße wurden eine zentrale Anlaufstelle und Infopoint geschaffen, welche aber noch weit hinter ihren Möglichkeiten und Nutzung stehen. Grundsätzlich muss aber davon abgesehen werden, Sicherheit ausschließlich durch Abschreckung herbeiführen zu wollen, sondern verstärkt auf Prävention zu setzen. Das erreicht man durch Aufklärungsarbeit und dem Rückbau nicht einsehbarer Räume.
Verkehrsdelikten muss mit verstärkten Geschwindigkeits- und Parkkontrollen entgegengewirkt werden. Die Sperrung der Stadtunterführung sowie die teilweise Sperrung der Frankfurter Straße wurden dazu genutzt, um auf nicht markierten Flächen zu parken. Hier muss entschieden eingegriffen werden, damit hieraus keine Gewohnheit oder sogar ein Parkproblem entsteht, welches nur schwer wieder in den Griff zu bekommen ist. Ähnliches gilt auch für das Befahren des Bereichs der Innenstadt und des Bahnhofsplatzes.
Mit der Priorisierung des Radverkehrs im gesamten Stadtgebiet kann ein weiterer großer Beitrag zum Klimaschutz gewährleistet werden. Rüsselsheim ist keine reine Autostadt mehr und durch den Ausbau eines sicheren und zuverlässigen Radverkehrsnetzes steigert sich ebenso die Attraktivität der Stadt für junge Familien wie auch für Studierende. Diese Priorisierung des Radverkehrs baut auf folgende Maßnahmen: der Planung und Umsetzung von Fahrradstraßen, die im Gegensatz zur Fahrradstraße auf der Kupferbrücke tatsächlich diese Bezeichnung verdienen; einem flächendeckenden Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet sowie der Verkehrsberuhigung in Teilen der Innenstadt; einem gesamtheitlichen Radwegenetzes für das gesamte Stadtgebiet, u.a. mit Radschnellwegen die an überregionale Radverkehrswege angeschlossen werden; sowie dem Ausbau von Fahrradleihsystemen und Abstellmöglichkeiten.
Um dem Problem von falsch abgestellten E-Scootern entgegenzuwirken, soll verstärkt auf Bußgelder an die jeweiligen Betreiber*innen gesetzt werden. Da E-Scooter dafür gedacht sind, kurze, individuelle Strecken zurückzulegen und sie demnach auch nach Bedarf dezentral abzustellen, sind zentrale Abstellflächen als Lösung des Falschparkens eher unrealistisch.
Zusammengefasst:
- Prävention statt ausschließlicher Abschreckung
- Verstärkte Verkehrskontrollen (Parken, Rasen) im Innenstadtgebiet
- Priorisierung des Radverkehrs
- E-Scooter-Dienste in die Pflicht nehmen