Politikah

War es eine idiotische Idee? Ja! Hat es irgendeinen Effekt? Sicherlich! Würde ich es nochmal machen? Puh!

Ich habe mich tatsächlich der Mühe ausgesetzt, für ein politisches Amt zu kandidieren, weil ich von keinem der Kandidaten überzeugt war und umso deutlicher deren Motivation und Methoden zur Kandidatur anzweifelte. Also habe ich Unterschriften gesammelt, mit Menschen gesprochen und festgestellt, ich bin nicht allein mit meiner Haltung.

Es folgten Monate des „Wahlkampfs“. Man hat mir von Dingen erzählt, die ich nie erfahren wollte. Man hat zu meiner Person Spekulationen aufgestellt, die mir übelst aufstießen. Ich habe einen entscheidenden Fehler begannen, als ich zurücktreten wollte.

Der Spuk ist nun glücklicherweise vorbei! Und der Horror kann beginnen!

Ich bleibe Rüsselsheim treu! Ich liebe diese Stadt und werde alles versuchen, meinen Beitrag zu leisten, aber mit Mitteln, die ich eher mit meinem moralischen Kompass in Einklang bringen kann.

Ich bedanke mich bei allen, die mich unterstützt haben! 197 Stimmen sind nicht verloren gegangen und auch wenn sie wenig erscheinen, bleiben sie ein starkes Statement!

Wir sehen uns bei Kunst und Kultur. Hier kommt großes auf uns alle zu und ich bin froh, dass ich euch dabei begleiten darf.


Wahlprogramm OB-Wahl 2023


Statement zu meiner (Nicht-)Kandidatur

Ich schäme mich! Für alles, was in den letzten Wochen und Monaten rund um diese OB-Wahl geschehen ist. Und am meisten schäme ich mich über mich selbst. Über meinen Umgang mit der Kandidatur und wozu ich mich habe verleiten lassen.

Im Wahlausschuss am 5. Mai wollte ich den Rückzug von meiner Kandidatur erklären. Meine Meldung wurde jedoch ans Ende der Sitzung verschoben. Ich erklärte mich und alles schien einen gewohnten Gang zu nehmen. Die Wahlleiterin bat mich um eine schriftliche Erklärung und bot sogar an, diese aufzusetzen, sodass ich nur noch unterzeichnen müsste. Kurz darauf kam sie wieder und erklärte mir, dass es nach den Regelungen der HGO wohl doch nicht mehr möglich ist, nach dem Beschluss des Wahlausschusses zurückzutreten. Ich stand also ab diesem Zeitpunkt auf dem Wahlzettel.

Die Vertreterin der Presse war bei diesem ganzen Vorgang anwesend und unterhielt sich mit mir. Trotzdem stand am Folgetag in der Zeitung, dass ich bei Ankündigung meines Rücktritts sofort belehrt wurde, was faktisch nicht der Fall war und selbst der Wahlleiterin war die Rechtslage nicht 100% bewusst. In einem Interview mit der Zeitung erklärte ich mich erneut über die Hintergründe.

Ich sprach von Stimmen aus dem engeren Bekanntenkreis, die durch meine Kandidatur befürchteten, dass das Stimmenverhältnis so zugunsten von Burghardt und Grode verschoben werden könnte, dass ich Jobst Stimmen stehlen könnte, weil man sich zwischen ihm und mir entscheiden müsste. Bedenken, die ich immer wieder zu beruhigen versuchte, weil mir aus Gesprächen beim Unterschriftensammeln immer wieder erzählt wurde, dass die Unterzeichnenden mit Jobst genauso wenig anfangen können wie mit Burghardt und Grode.

Im Gespräch mit der Zeitung nannte ich auch meine private Situation als Grund für den Rücktritt und sprach dabei auch sehr offen, auch wenn die einzelnen Punkte letztlich nicht im Artikel genannt wurden: Meine schwere Depression, die mich seit über 20 Jahren begleitet und auch bis zum Ende begleiten wird; die Krebserkrankung meines Vaters, die allen in der Familie zu schaffen macht, Krebs, der auch mir – familiär vorbelastet –  wohl oder übel ins Haus stehen wird; und auch die seelische und körperliche Misshandlung meines Neffen in seiner Kita und der Hilflosigkeit gegenüber der Offenbarung, wie diese Erlebnisse sein Verhalten nun erklären.

Wie gesagt: Davon stand nichts im Artikel. Das ist auch gar nicht mal so schlimm, denn so unschön und belastend diese Ereignisse auch sind und so schwer sie auch zu verdauen sind, waren sie nicht die Gründe für meinen Rücktritt. Ich habe weitaus schlimmere Dinge erlebt und die Tatsache, dass ich in der Lage bin hier darüber zu schreiben, zeigt nur, dass diese Dinge nicht gewonnen haben.

Warum wollte ich aber zurücktreten? Die Antwort: Weil man mich darum gebeten hat. Und das sehr hartnäckig. Weil man mir Bedenken ausgesprochen hat, die ich zwar als unbegründet versicherte und belegte, worauf aber nicht gehört wurde. Weil diese Bedenken von mehreren Personen an mich herangetragen wurden. Weil man mir Versprechungen gemacht hat, von denen ich aber bereits wusste, dass sie nicht erfüllbar sind.

Ich wurde zum Rücktritt gebeten und habe deswegen gelogen. Belogen sogar. Diejenigen, die mich unterstützt haben und vor allem mich selbst. Und dafür schäme ich mich.

Und umso mehr schäme ich mich dafür, was nach diesem 5. Mai alles an Aussagen in diesem Wahlkampf getroffen worden sind: von den Kandidaten (ja, hier bewusst Maskulinum), von anderen über mich, von dem hartnäckigen Festhalten der Presse an meiner „Nicht-Kandidatur“, die es demnach auch nie für nötig hielt, bei mir nachzufragen, aber dennoch mich in Artikeln erwähnte. Ich schäme mich für das inhaltsleere Phrasengemähe bei den Podiumsdiskussionen, auf Flyern und Plakaten. Ich schäme mich für die Kandidaturen von Burghardt und dessen fragwürdigen Motivation, von Grode und seinen fragwürdigen Methoden, und von Jobst, der entgegen meinen Erwartungen, mit demselben Vorgehen antritt, das ihm in den letzten Jahren überhaupt seinen Ruf eingebracht hat.

Ich schäme mich dafür, als Alternative zu – meiner Meinung nach – nicht tragbaren Kandidaten angetreten zu sein, nur um dann zurückzutreten.

Auf die Teilnahme bei Podiumsdiskussionen habe ich – mit einer Ausnahme – verzichtet, genauso auf öffentliches Plakatieren, Flyer, Wahlveranstaltungen usw., weil ich nicht unglaubwürdig erscheinen wollte. Mich haben Menschen angesprochen, wen sie denn nun wählen sollen, wenn ich doch nicht mehr antrete und sobald ich ihnen erklärte, dass ich weiterhin auf dem Wahlzettel stehe, stand für sie wieder fest, wer ihr Kreuz bekommen wird. Das musste ich erst lernen. Dass mich Menschen unterstützen. Nicht aus Spaß, Protest oder mangels Alternativen, sondern weil sie davon überzeugt waren und offenbar auch weiterhin sind.

Es war ein Fehler, den ich sehr bedaure. Es war eine Lüge, die mir mehr geschadet hat als genutzt. Und am Ende hat es mehr die Strömungen in der Stadt bestärkt, die ich eigentlich schwächen wollte.

Es tut mir leid.

Am 2. Juli 2023 wählt Rüsselsheim einen neuen Oberbürgermeister. Ich kann niemanden vorschreiben, wer zu wählen ist und wer nicht. So funktioniert Demokratie. Und einer demokratischen Entscheidung werde ich mich nicht entziehen.