setz.dich

Fassaden dienen dem ersten Eindruck. Dieser soll Botschaft sein, Eindruck machen oder schlichtweg verbergen, was dahinter liegt. Setz dich! Wir werfen einen Blick hinter die Fassaden: Meine und vielleicht auch deine.


Vom 30. Januar bis zum 19. Februar 2023 hatte ich meine erste Künstlerresidenz im freien Atelier »freiraum f³« der Stadt Rüsselsheim am Main. Es war eine Mischung aus Performance- und Installationskunst sowie persönlichen Experimenten. Zusätzlich zeigte ich in diesen drei Wochen Werke von Gastkünstler*innen sowie Beiträge von lokalen Musiker*innen.


Rückblick

Tag 1

Der erste Tag der Residenz. Alles ist hergerichtet. 15 Uhr Pressetermin mit der Stadt. Foto, Fragen. Abends 20 Uhr erste Gastveranstaltung, Jazz-Konzert. Volles Haus – nur nicht im f3. Schönes Privatkonzert.

Tag 2

Alter Sessel im Atelier nervt mich. Habe ihn repariert und neu arrangiert. Erste Beamerprojektion und Ideen für kommende. Mit der Formenlehre begonnen.

Tag 3

Heute nur kurzer Aufenthalt. Treffen zur Projektbesprechung sehr erfolgreich. Ergebnisse des gestrigen Tag sind bereit für die nächsten Schritte

Tag 4

Sechs Gastgemälde aufgenommen. Ebenso Gespräch für Großprojekt gehabt. Kultur und Rüsselsheim kann funktionieren.

Tag 5

Morgen großer Tag. Die Messlatte selbst hochgelegt. Allgemeine Anspannung.

Tag 6

Der große Tag: Vernissage. Und das mit einem Knall.

Die Performance »Regen« befasste sich mit dem Thema der häuslichen Gewalt. Eine Mischung aus vorgetragenen Monolog wie auch Dialog traf auf einen eingedeckten Frühstückstisch. Während der Performance wurde eine Hälfte des Tisches nach und nach zerstört, um die einseitige Gewalt des Partners zu verdeutlichen, während sich das Opfer immer weiter im Schweigen vergräbt. Der Tisch wurde im weiteren Verlauf der Residenz immer weiter zerstört.

Tag 7 und 8

Tag 7 zur Erholung genutzt. Immer noch unter den Eindrücken der Vernissage. An Tag 8 „Aufräumen“. Ab jetzt kann es nun losgehen. setz.dich nimmt Form an. Aus Zerstörungswut wird Kunst.

Tag 9 und 10

Gastgemälde hängen nun alle an ihrem Platz. Weitere Überlegungen für setz.dich. Lehre des Tages: Teller brechen nie, wie sie sollen. Ich werde mich an der Malerei versuchen. Arbeit an »insight« begonnen.

Tag 11

Heute volles Haus. Zu Gast ist das Café Wunderbar der Caritas. Es gibt Musik und Malerei. Entstandene Werke übernachten im Schaufenster zur Frankfurter Straße. Interessante Gespräche mit den Anwesenden. setz.dich zieht Blicke auf sich.

Tag 12 und 13

Reflektiere den gestrigen Tag. Gäste vom Vortag kommen nochmals vorbei. Begrüße eine Bekannte im Atelier und gebe eine erste Führung. Inspiration für Kommendes.

Tag 14

Sigh(t)seeing-Tour durch unsere schöne Stadt. Die Ergebnisse beziehen bald das f3. Online-Touren stehen noch aus.

Tag 15 und 16

Sigh(t)seeing an die Wand gehämmert. Vorbereitungen für die Finissage beinahe abgeschlossen. Fazit bisher: Es wird knallen, noch mehr als zur Vernissage.

Tag 17 und 18

Die Residenz neigt sich allmählich dem Ende. Begrüße das zweite Jazz-Konzert. Publikum besteht aus fünf Personen. 500% Steigerung.

Tag 19 und 20

Finissage. Es wird aufmerksam gefolgt. Ich weine.

Die Performance »insight – ein Abschied« war ein tiefgehender Einblick in meine mentale Gesundheit und Depression. Neben dem monologischen Gespräch mit den Anwesenden, wurden drei Texte gelesen. Der erste Text – »insight« – befasst sich mit den unruhigen Phasen und wie man versucht, diese zu füllen. Das wahllose Zerstreuen, in das man sich begibt, bis man von etwas eingefangen wird, dass einen nicht mehr loslässt: In diesem Fall, die Erkenntnis über die Fassade, die man sich errichtet hat und hinter welcher man sich versteckt. Der zweite Text – »Panik« – ist eine Beschreibung einer Panikattacke, welche die Fassade nach langer Zeit zum Bröckeln brachte. Am Ende steht die Erkenntnis: „Du bist krank. Du bist depressiv. Und das wahrscheinlich schon seit 20 Jahren.“ Der dritte Text ist ein Brief. Ein Brief, den bis zu diesem Zeitpunkt lediglich vier Personen gelesen haben. Er richtet sich an Freunde und ist so offen wie nur möglich geschrieben. Er ist ein Hilferuf. Am Ende steht die Zusammenfassung, das In-sich-hineinhören. Ein Abschied. Während dieser Residenz sollte hinter Fassaden geblickt werden, nun wurde eine eingerissen.

Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit. Darüber zu reden hilft, ersetzt aber keine Therapie!

0800 111 0 111

0800 111 0 222

Deutsche Telefonseelsorge

Tag 21

Letzter Tag. Aufräumen und Abbauen. setz.dich verbleibt noch etwas vor Ort.  Der Tag gehört jedoch anderen.

#SayTheirNames


Sigh(t)seeing